Seit nunmehr 3 Semestern studieren junge Menschen online. Viele haben ihre Hochschule noch nie betreten.
Was einstmals zum Leben, zum Erwachsenwerden gehörte, von Zuhause ausziehen, neue Menschen kennen lernen, vielleicht zum ersten Mal im Leben unter Gleichgesinnten lernen, all dass ist vorbei.
Die Eintönigkeit der Lehre spiegelt sich in den ewig gleich anmutenden Zoom-Konferenzen. Stur pauken die Studenten, doch zufrieden ist keiner, in der Regel dominiert ein unterbewusstes Gefühl von Unruhe und Stress. Austausch und Diskussionen scheitern am Schweigen leerer Kacheln. Freundschaften brechen unter der Last der Abgeschiedenheit. Jede neue Maßnahme im Lockdown fühlt sich an, wie ein vorhersehbarer Schlag, dem man nicht ausweichen kann. Und seit anderthalb Jahren gibt es keine ersichtliche Strategie seitens der Politik, an der Situation auch nur im Ansatz etwas zu verändern, während im Sommer Stadien voller Fussballfans die nächste Welle einläuten könnten und vermutlich auch werden.
Seit Pandemiebeginn haben sich die Zahlen der Studenten und Schüler, die sich in psychologische Behandlung begeben haben, verdoppelt. Die Charakter- und Identitätsentwicklung junger Menschen liegt brach. Depressionen, Zukunftsängste und Studienabbrüche sind die Folge.
Diese Montage wurde im Winter 2020/21 in der Orangenkiste in Bielefeld fotografiert. Das Wohnheim bietet in seiner baulichen Struktur immer den selben Grundriss für WGs, was eine bechersche Katalogisierung möglich macht. Wie entwickelt sich studentische Identität während einer derartigen Krise? Was passiert mit Menschen, die man Monate lang einsperrt, ohne Perspektiven? Ein oft genannter Vorwurf lautet, die Jugend wolle ja sowieso nur feiern. Das halte ich persönlich für Quatsch. Feiern gehört zum jung sein. Aber was viel eher enttäuscht, ist wohl die fehlende Bereitschaft der Regierenden, sich darum zu kümmern, dass die Zukunft von morgen richtig ausgebildet wird. Bald beginnt das vierte Coronasemester. Mit der Deltavariante im Rücken vermutlich ebenfalls vor dem allzu bekannten ZOOM-Layout.
Die hier gezeigten WGs und ihre Bewohner sind zum Großteil nicht mehr existent. Viele haben aufgegeben, das Studium abgebrochen oder sind zurück zu den Eltern gezogen, online studieren kann man schließlich auch in der Heimat. Die Orangenkiste steht zu drei Vierteln leer. Ein sonderbares Gefühl für jeden, der geblieben ist.
